Passion 1959

In weniger als 15 Jahren nach den verheerenden Kriegszerstörungen im vorletzten Monat des Zweiten Weltkrieges hatte das äußere Bild der Stadt Neumarkt wieder Konturen gewonnen. In ungewöhnlich kurzer Zeit war es gelungen, kriegsbedingte Lücken zu schließen. Der Wiederaufbau, der eng mit dem Namen des späteren Oberbürgermeisters Theo Betz verbunden war, galt in der — gerade auch überregionalen — Presse als eine beispiellose „Rekordleistung ... innerhalb der deutschen Grenzen"." Bereits 1948 gab es von den einstmals 744 Ruinen in der Innenstadt nur noch 153, hinzu kamen Baumaßnahmen an weiteren 591 Gebäuden. In rascher Folge wurden Bildungseinrichtungen auf- oder neu gebaut, um insbesondere das Schulwesen wiederzubeleben; weitere Anstrengungen galten der Verbesserung der Infrastruktur und des gesellschaftlichen Lebens, wobei das neu entstandene Kolpinghaus 1949 auch einen wichtigen städtebaulichen Akzent setzte; einen vorläufigen Höhepunkt bildete der Wiederaufbau des Neumarkter Rathauses, das man am 8. Dezember 1957 einweihte.
In dieser Atmosphäre des Wiederaufbruchs konnte auch das geistige und kulturelle Leben gedeihen und vor allem in der Kolpingsfamilie reifte der Entschluss, die Passionsspieltradition in Neumarkt neu aufblühen zu lassen. Befeuert wurde das Vorhaben durch ein Gelöbnis aus den letzten Kriegstagen, wonach man künftig wieder regelmäßig Passionsspiele aufführen wollte, wenn das im April 1945 ebenfalls völlig zerstörte Kolpinghaus neu erstünde." Unterstützung fand die Kolpingsfamilie bei ihrem damaligen Präses, dem Stadtdekan und Pfarrer von St. Johannes Josef Kopf (gest. 1982). Zu den Hauptinitiatoren gehörte der Kunstglasermeis-ter Josef Bock (gest. 1959), einer der Mitwirkenden der Passionsspiele von 1922, der als 70-Jähriger die Spielleitung übernahm und in 50 Proben den Grundstein für den späteren Erfolg legte. Wenige Wochen vor der Premiere erlag er einem Schlaganfall. In dieser Notsituation übernahm Gustav (Gustl) Altnöder, langjähriger Schauspieler am Regensburger Stadttheater, die Probenarbeit und die Leitung der Aufführungen. Keine zufällige Wahl: Mit der Inszenierung von, Freilichtspielen in Parsberg und Kastl hatte er sich einen Namen als Regisseur gemacht; und vor Ort war insbesondere das „Neumarkter Zeitenspiel" (1958) noch in lebhafter Erinnerung. Als stellvertretender Spielleiter stand ihm Kurt Romstöck zur Seite, der noch zusätzlich dadurch glänzte, dass er während der Spielzeit mehrmals für erkankte Darsteller einsprang. Für den Aufbau der Bühne waren Kolpingsenior Heinrich Althammer und Altmitglied Hans Biehler verantwortlich; die Kostüme wurden von Mitgliedern des Katholischen Frauenbundes unter der Leitung ihrer Vorsitzenden Carola Hilsdorf gefertigt, unter tatkräftiger Mithilfe der örtlichen Mädchenschulen, besonders des Hauses „St. Marien" der Niederbronner Schwestern. Als Christus-Darsteller konnte man den damaligen Krankenhauspfarrer Otto Rodenbücher gewinnen.
1959 Tafel 1
1959 Tafel 2
1959 Tafel 3

 

Aus dem Geleitwort des Schirmherrn Dr. Otto Schedl,
Bayerischer Staatsminister für Wirtschaft und Verkehr

Wenn der Vorhang in diesem Jahr erneut hochgezogen wird, um den Leidensweg Christi zur Erlösung der Menschheit zu zeigen, wird nicht nur ein religiöser und kultureller Schwer­punkt der Stadt wiedererstehen, sondern seine Ausstrahlung werden sich — dessen bin ich sicher — auch im weiten Lan­de bemerkbar machen und in die entscheidenden Bezirke menschlichen Daseins hineinwirken.

Aus der gemeinschaftlichen Anstrengung der gut 100 Laienspieler und den fast ebenso vielen Helfern vor und hinter der Bühne resultierte ein großer Erfolg. Insgesamt 26-mal, vom 21. März bis zum 28. Mai (Fron­leichnam) wurde das vierstündige Passionsspiel aufgeführt, stets waren die Vorstellungen ausverkauft. Tief bewegt erlebten über 16.000 Besucher das Geschehen auf der Bühne mit, die „Nürnberger Zeitung" urteilte: „Im Gesamteindruck hinterließ die Aufführung Erschütterung. ... Neumarkt machte sich mit dieser Vorstellung einen Namen. ... Es steht nach dem was man sah, zu hoffen, daß sich das biblische Spiel German Mayrs in Zukunft in Neumarkt ebenso einbürgern wird, wie das Spiel um das Leiden Christi in Oberammergau." Und im Ingolstädter „Donaukurier" wurden die Leis­tungen der Darsteller wie folgt gewürdigt: „Mit tiefer Innigkeit gestaltet er [Otto Rodenbücher] seine Rolle [des Christus]. Aus den Darstellern der Apostel, die im Allgemeinen traditionellen Vorstellungen entsprechen, ragt vor allem der Judas von Hans Mösl hervor und zwar in Maske, Dar­stellung und Sprache. Hier kann von einer Grenze zum Berufsschauspielertum kaum mehr gesprochen werden. Allen anderen Darstellern von der Maria, Inge Sczogiel, bis zum Barabbas, Johann Augsbach, sei an dieser Stelle ein verdientes Pauschallob gewährt." Mit einem Dankgottesdienst in St. Johannes und einem Festmahl im Kolpinghaus fanden die Neumark-ter Passionsspiele einen würdigen Abschluss, begleitet von dem Wunsch, so Geistlicher Rat und Stadtdekan Josef Kopf in seiner Ansprache, „das große Erlebnis des Spieles in die Waagschale des Lebens zu tun".

 

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